Cäcilia Scholten hat die Beiträge der Klagemauern in unseren Kirchen ausgewertet. Hier lesen Sie ihr Resümee.
Mit der gemeinsamen Stellungnahme von Pfarreirat, Kirchenvorstand und Pastoralteam hat die Pfarrei St. Sixtus eindeutig Position zu den Missständen in unserer Kirche bezogen. Dazu konnten in den vergangenen zwei Wochen bereits über 1300 Unterschriften gesammelt werden. -
Ein beeindruckendes Ergebnis.
Wie Sie wissen, haben wir in den vergangenen Wochen auch Klagewände in unseren Kirchen aufgestellt. Auch hier steht die Klagemauer. Beeindruckend und nachdenkenswert, was wir auf den 448 Rückmeldungen hier aus unserer Pfarrei einsammeln konnten. Ganze Briefe haben wir gefunden, Texte und Gebete, Anklage und bewegte Zeugnisse.
Fast die Hälfte der Rückmeldungen - 232 genau - beziehen sich auf die unterschiedlichen und ambivalenten Gefühle, die wir auch in der Stellungnahme formuliert haben.
Viele von Ihnen haben ihre Bestürzung, Ihre Wut, Ihre Sprachlosigkeit, Ihre Traurigkeit und Ihre Scham zum Ausdruck gebracht. Nicht wenige formulieren, dass sie mit dem Aufdecken der grausamen Taten ein Stück ihrer Heimat in der Kirche verloren haben. Der Ausdruck der Gefühle, ein erster Schritt in die Klage, will gehört werden. Gefühle brauchen einen Ausdruck und einen Adressaten.
Über einhundert Rückmeldungen gibt es dazu, dass neben dem Gefühl auch konsequente Handlungen gefordert werden: Der Opferschutz steht für viele an erster Stelle, es braucht ein Gesprächsangebot. Es wir die begründete Forderung nach einem deutlichen Schuldbekenntnis der Täter und Vertuscher deutlich. Die Wahrheit muss ans Licht, nur so kann die Seele gesunden, heimliche Themen tun niemandem gut. Ganz deutlich wird auch der Ruf nach zügigen Entschädigungen für die Opfer und die Verantwortungsübernahme durch die Täter und Vertuscher. -
Exemplarisch möchte ich Ihnen 3 Rückmeldungen vorlesen:
Ich schäme mich für die Ignoranz der Kirche bezüglich der Untaten einiger ihrer Mitglieder an Unschuldigen. Wie kann man so etwas tun - und dann schweigen?
Wir sind entsetzt - wir sind bestürzt - wir wollen uns einsetzen! Wann wird endlich mal ein großer Bußgottesdienst gefeiert - für uns alle um die Vergebung Gottes gebetet?
Ich bin traurig und wütend, dass Machtinhaber der Kirche mir ein Stück Heimat genommen haben - ich bin aber auch voller Hoffnung, dass sie es nicht vollständig schaffen.
Und noch zwei weitere Themenspektren sind bei Ihren Rückmeldungen auf unserer Klagemauer zentral:
Die Gründe die den Missbrauch begünstigen .... sowie Wünsche, Wege und Gebete aus der Krise!
Zu den Gründen: 133 Rückmeldungen an den Wänden beschäftigen sich auch mit den Gründen, die den Missbrauch begünstigt haben.
Es sind dieses: Der Machtmissbrauch Einzelner, die Vertuschung der Verantwortlichen und dass die Institution sich schon -zu - lange wirklichen Reformen entzieht. Das lässt die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Kirche insgesamt sinken.
Viele konkrete Themen werden genannt: Die Gleichstellung von Frauen in allen Ämtern und Funktionen der Kirche, die Abschaffung des Pflichtzölibats, die Aufwertung des Engagements von Ehrenamtlichen und die Homophobie. Diese Themen weisen deutlich einen Weg, der auch auf vielen Rückmeldungen zu lesen und zu erspüren ist. Es gibt eine Sehnsucht, den Menschen, das Evangelium und den Glauben an Gott wieder neu in den Mittelpunkt zu stellen, Kirche hat dem Menschen, ihren Fragen, Hoffnungen und Sorgen zu dienen, oder sie dient zu nichts. Dazu gehört auch, dass die Themen benannt und bearbeitet werden.
Auch hierzu einige Stimmen:
Solange die Stärkeren die Schwachen missbrauchen, werden wir keinen Frieden haben. Solange geschwiegen wird, wird es kein Vertrauen geben. Gut ist es , dass die Wahrheit ans Licht kommt.
Die Christliche Botschaft heißt doch zusammengefasst: Fürchtet Euch nicht! Warum die Angst vor der Wahrheit? Warum die Angst vor Schuldeingeständnissen? Warum die Angst um die Institution Kirche?
Was ist aus unserer Kirche nur geworden? Lasst uns weiter mit denjenigen feiern und beten, die versuchen, die Botschaft Jesu zu leben und umzusetzen. Es wird nicht einfach sein. Ich erbitte für alle die Kraft dazu!
Ein letztes Themenfeld möchte ich noch nennen:
110 Rückmeldungen in der Klagemauer beinhalten konkrete Wünsche und Wege aus der Krise. Viele Gemeindemitglieder formulieren sehr persönliche Gebete und machen Vorschläge, was zu verändern ist. Sie wünschen den Mut zur Veränderung in der Kirche - auch hier in Haltern - aus dem Evangelium. Sie drücken ihre Sehnsucht nach einer Kirche auf der Seite der Schwachen aus. Glaubwürdigkeit kann nur durch konkrete Begegnung erwachsen.- Und auf Augenhöhe!
In unserer Pfarrei soll der Themenkreis sexueller Missbrauch nicht verschwiegen werden, die verschiedenen Gremien werden weiter daran arbeiten. Wie der Prophet Joel seine Gemeinde aufruft, wollen auch wir aufbrechen. Mutig sein und auf die Verheißung des hl. Geistes vertrauen. Ein erster kleiner Schritt dazu kann sein, dass wir - wie auf einem Zettel vorgeschlagen baldmöglichst Hilfeangebote und Telefonnummern in allen Kirchen aushängen werden.
Auch dazu einige Rückmeldungen von Ihnen:
Ich wünsche mir eine Kirche, die zu den Taten steht, sich kümmert, zusammenhält und sich erneuert. Eine Kirche, die bekennt und die richtigen Worte findet.
Herr, ich bitte dich für alle Verantwortungsträger in der Kirche, egal, ob sie schuldig geworden sind oder nicht. Gib ihnen ein brennendes Herz um das Leid der Betroffenen zu spüren und wirklich ernst zu nehmen.
Jesus kam zu den Menschen, in ihr Leben, nahm sie ernst, holte sie ab, wo sie standen, gab ihnen Lebenshilfe! Gott hilf uns in und mit unserer Kirche Lebenshilfe zu geben, Menschen zum Leben in Fülle zu verhelfen und nicht Leben zu zerstören.
C. Scholten