Mit der 288. Kreuztracht und einem gemeinsamen Mittagsimbiss im Festzelt endete am Sonntag, 15. September, die ökumenische Glaubenswoche 2024. Sieben Tage rund um das Thema "FAIRhandeln - nachhaltig leben", die in puncto Programm, Musik und nicht zuletzt auch Wetter nahezu alles zu bieten hatten - und die uns ganz besonders durch die tolle Stimmung und die großartige Teilnahme begeistert haben.
Danke an alle, die dabei waren!!!
Lesen Sie im folgenden unsere tägliche Rückschau:
Um 14 Uhr am Sonntag startete unsere ökumenische Glaubenswoche mit einem Nachhaltigkeitsmarkt der Eine-Welt-Gruppen vor der Pfarrkirche. Kaffee, Tee und Schokolade aus fairem Handel, Infostände, eine Handy-Sammelstation und interaktive Angebote sorgten für einen interessanten Querschnitt rund um das Glaubenswochen-Thema "Fair handeln - nachhaltig leben". Am Stand von Bärbel Matuszczyk gab es außerdem die beliebten, im Wallfahrtsort Kevelaer gesegneten Engelchen und weitere, in liebevoller Handarbeit hergestellte Produkte, deren Erlös einem Altenheim im ägyptischen Alexandria zugute kommt.
Um 15 Uhr begann der ökumenische Auftaktgottesdienst in der Pfarrkirche - und er sollte zu einem Ereignis mit echtem Gänsehautfaktor werden: Über 600 Sängerinnen und Sänger aus Marler und Halterner Chören begleiteten unter Leitung von St.-Sixtus-Kantor Thomas Drees den Gottesdienst musikalisch und rissen die Besucher der vollbesetzten Kirche von Anfang an mit. Ein weiterer Höhepunkt war die phantasievolle Inszenierung der Schöpfungsgeschichte durch Kinder aus den Chören und Messdiener. Einen stimmungsvollen Abschluss bildete die gemeinsame Agape-Feier.
Aus musikalischer Sicht war der Tag aber noch lange nicht vorbei: Im Festzelt ging's mit einem offenen singen für alle unter Beteiligung aller Chöre fröhlich weiter.
In der Kirche eröffnete derweil die Ausstellung "Die Welt ist Gottes so voll..." mit Fotografien des Dülmener Künstlers HG Werner. Die Aufnahmen, welche in den frühen Morgenstunden in der Halterner Natur entstanden sind, zeigen so ungewöhnliche wie reizvolle Perspektiven und gleichzeitig die Fragilität unseres Ökosystems. HG Werner versteht seine Arbeit als Lobpreis der Schöpfung.
Die Ausstellung ist noch bis zum 8. November in der Pfarrkirche St. Sixtus zu sehen; die Bilder werden inklusive Rahmen gegen eine Spende für den Umzug der Laurentius-Orgel auf den Annaberg abgegeben.
Nach einer gut besuchten Frühschicht, Frühstück im Festzelt und dem Stationslauf der Katharina-von-Bora-Schule waren am Nachmittag alle Seniorinnen und Senioren zu einem Gottesdienst in die Pfarrkirche eingeladen - zur Freude aller von Klemens Emmerich teils auf Plattdeutsch gehalten. Anschließend ging's zum gemeinsamen Kaffeetrinken und Singen ins Festzelt. Matthias Schütz am E-Piano und Klemens Emmerich mit seiner Mundharmonika wussten ihr großes Publikum trefflich zu unterhalten und mitzureißen. Ein Nachmittag voll guter Laune!
Kartoffellese, neugeborene Kälbchen, Eier direkt aus dem Nest. Einmachzeit, Nutzgärten, Hausschlachtung. Generationen-Wohnen. Das Klo auf dem Hof. Ein Auszug aus dem Kindheitserinnerungsfundus des Publikums an diesem Abend. Überbordende Bürokratie, „Kontrollwahn“ seitens der Politik, steigende Lebenshaltungskosten: aktuelle Problemfelder, benannt von vier Experten, die dennoch mit Leib und Seele in der Landwirtschaft tätig sind. Das Streitgespräch am Montagabend im Festzelt lieferte spannende Einblicke und lebhafte Diskussionen rund um das Thema „Wie fair ist unsere Landwirtschaft?“ Und am Ende gab es dann noch eine echte Überraschung von Pfarrer Michael Ostholthoff.
Zu Gast waren an diesem Abend Frank Boing (Vorsitzender Katholische Landjugendbewegung im Bistum Münster und künftiger Hofbesitzer), Michael Uckelmann (Landwirt, Vizepräsident Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband, Vorsitzender Landesverband Wasser- und Bodenverbände Westfalen-Lippe), Heiner Kemper (Landwirt, Vorsitzender Landwirtschaftlicher Familienhilfsdienst Vest RE und Kirchenvorstand St. Sixtus) und Pfarrer Bernd Hante (Präses Katholische Landjugend und Landvolk Bistum Münster). Moderiert von Cilli Scholten und Michael Ostholthoff, legten die vier „Insider“ ihre jeweils persönliche Situation und Position dar und stellten sich den vielfältigen Fragen des Publikums.
"Gefühlt jedes Jahr eine Datenbank mehr"
Überdeutlich stand dabei ein Ungetüm im Raum: die Bürokratie, die sich ungebrochen aufbläht. Eine Tatsache, die als erster Heiner Kemper kritisch anmerkte. Kemper betreibt in Hullern einen Hof mit „allen Tierarten“, ist als Direktvermarkter aktiv und möchte dem ökologischen Gedanken unter anderem mit Ernteverzicht bei Getreide auf einer drei Hektar großen Fläche, artgerechter Tierhaltung sowie Grünstreifenbepflanzungen Rechnung tragen. „Aber die bürokratischen Vorgaben seitens der Politik machen es uns Landwirten nicht leichter“, so Kemper. Und das sei auch deshalb schade, weil er bei den jungen Leuten durchaus ein wachsendes Interesse an seinem Beruf feststelle.
Michael Uckelmann, der mit seiner Familie und den Eltern einen Schweinezuchtbetrieb in der Gemeinde Dülmen führt, schlug in die gleiche Kerbe: „Seitens der Politik besteht inzwischen ein regelrechter Kontrollwahn. Da wird den handelnden Akteuren quasi das Vertrauen abgesprochen. Lasst uns einfach mehr Eigenverantwortung!“ In den 15 Jahren, die er nun im Beruf sei, sitze er gefühlt jedes Jahr an einer Datenbank mehr, die er bearbeiten müsse. „Rückverfolgbarkeit, Lieferkettengesetz… vieles davon ist ja auch sinnvoll, aber insgesamt muss hier deutlich zurückfahren werden!“
Ihm seien eine Kreislaufwirtschaft mit kurzen Transportwegen wichtig. „Wir arbeiten bei Mast und Schlachtung mit einem Nachbarhof zusammen und beliefern Westfleisch, die ihren Standort in direkter Nähe haben“, so Uckelmann.
Dreieck der Nachhaltigkeit
Bernd Hante – „ich komme ebenfalls aus der Landwirtschaft mit Michvieh, Sauenhaltung und Hühnern“ – sprach sich für mehr Solidarität der Gesellschaft mit den verschiedenen Berufsgruppen aus. „Das gilt für die Landwirtschaft ebenso wie für das Handwerk, die Pflege und die Müllabfuhr: Respekt und soziale Sicherheit sind wichtig.“ Die steigenden Lebenshaltungskosten seien dabei ein echtes Problem. Nicht zuletzt sei dadurch auch die Bio-Idee teilweise zusammengebrochen. Sie ist einfach viel zu teuer für viele Verbraucher.“ Und: Jedes Land, so Hante, habe ein Recht auf Ernährungssouveränität. „Da stimme ich mit Misereor voll überein – aber das muss auch für Deutschland gelten!“ Er erwarte von der Politik Rahmenbedingungen für das sogenannte Dreieck der Nachhaltigkeit: Soziales – Ökologie – Ökonomie. Dieses müsse im Gleichgewicht bleiben.
„Denn es heißt ja nicht umsonst Landwirtschaft“, nahm Frank Boing den Faden auf, „man muss mit seinem Hof sein täglich Brot erwirtschaften können!“
Der Mittzwanziger hat sich sehr bewusst für den Beruf des Landwirts entschieden, gerade sein Studium abgeschlossen und nun die Möglichkeit, einen Hof mit Milchvieh und Schweinemast aus der Verwandtschaft übernehmen zu können. Er weiß, dass er nicht ohne externe Arbeitskräfte wird auskommen können. „Bei Milchvieh musst du nun mal morgens und abends, jeden Tag, alltags wie feiertags, melken. Egal, was kommt.“ Durch die Schreibtischarbeit gehe jedoch mittlerweile zu viel Zeit verloren – „fürs Wesentliche. Wie in so vielen Berufen“.
Das „Wesentliche“ war denn auch ein Punkt, der vom Publikum aufgegriffen wurde. Das Thema Selbstversorgung, der Bezug zum Produkt selbst, gehe immer mehr verloren, so ein Teilnehmer. Frank Boing stimmte zu und plädierte seinerseits dafür, entsprechende Themen wieder in den Schulunterricht zurückzubringen – von Lebensmittelkunde über Regionalität bis hin zu Kochkursen.
Auch mal 2b-Ware statt immer nur 1a
Dies bringe auch eine andere Einstellung zum Produkt mit sich – und vielleicht auch die Überzeugung, nicht immer nur 1a-Ware kaufen zu müssen, sondern auch mal zur 2b-Auswahl zu greifen, die vielleicht nicht so schön aussehe, aber trotzdem einwandfrei sei.
Hier sei jedoch der Lebensmittelhandel der entscheidende Akteur. „Dem biete ich genau einmal solche Produkte an – und dann kauft er woanders“, erklärte Michael Uckelmann. Und klar, auch er selbst würde sich wünschen, dass nur noch regional und saisonal eingekauft würde. „Das ist bei unserer Konsumlage allerdings unrealistisch.“
Im Gegenteil – der Handel gebe schon lange im Voraus vor, was wann vermarktet werden müsse, so Frank Boing – „etwa Spinat in KW 40 oder Leberkäse in KW 42. Da kommt man als kleiner Landwirt kaum mit“.
Am Ende kamen Experten wie Zuschauer in etlichen Forderungen überein: einem besseren und ideologiebefreiten Zuhören seitens der Politiker, und zwar über die jeweilige Legislaturperiode hinaus; weiterem offenem Dialog der Landwirtschaft mit den Verbrauchern, etwa über Hoftage; dem Mut auch zu unkonventionellem Einkaufen – „und fordern, aber auch sich selbst einbringen“, wie Frank Boing schloss.
Und dann verriet Pfarrer Michael Ostholthoff noch eine gerade erst ausgetüftelte Projektidee: Ein Halterner Landbesitzer möchte der Pfarrei ein Hektar Land zur Verfügung stellen, auf dem Familien mit Kindern in jeweils eigenen Parzellen säen, anpflanzen und ernten können. „Eine tolle Möglichkeit, zu erleben, wie Selbstversorgung funktioniert“, so Ostholthoff. Und eine wunderbare Fortsetzung des Glaubenswochen-Themas – mit etwas Glück schon ab dem kommenden Frühjahr!
Eine schöne Tradition bei der Glaubenswoche sind die Stationsläufe für die Kindergartenkinder und die Viertklässler der Grundschulen.
Von unseren zehn KiTas nahmen insgesamt 180 Entlasskinder teil, die an fünf Stationen praktische Erfahrungen zum Umgang mit der Natur und nachhaltigem Leben sammeln konnten - etwa, wie Müll richtig entsorgt wird und man ihn vermeiden kann, wie Fische im Meer gerettet werden können, wie man aus Plastikbechern und Kronkorken Musikinstrumente bauen kann (Stichwort: Upcycling) und vieles mehr.
An der Snackstation konnten sich die Kinder sowie ihre Erzieherinnen und Erzieher mit heimischen Produkten stärken. Es wurden 8 kg Äpfel, 5 kg Weintrauben, 4 kg Möhren, 10 Paprikaschoten und 8 Salatgurken verspeist – allen hat es gut geschmeckt!
Georg Kleemann stimmte die Kinder mit "Waltraud, dem Wal" musikalisch stimmungsvoll auf den Stationslauf ein.
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Im Rahmen der Glaubenswoche boten der ehemalige evangelische Pfarrer Karl Henschel und der Presbyter Thomas Bernhard eine Radpilgertour an, um Wind und Sonne als regenerative und nachhaltige Energien anschaulich zu machen.
So ging es bei windigem, aber trockenem Wetter zum BWP Haltern-Ennenberg nördlich der B58. Georg Dammann zeigte dort ausführlich den knapp 20 Teilnehmenden seine Windkraftanlage.
Nächster Stopp war die Joseph-Hennewig-Schule, in der Hermann Lambernd an der Anzeigetafel von den Anfängen der Errichtung der PV-Anlage vor gut 15 Jahren berichtete.
Schließlich ging es zum YAMAHA-Zentrum an der Ziegelei, das über eine neue PV-Anlage verfügt. Henning Henke von der Energiegenossenschaft beeindruckte die Radfahrenden mit vielen technischen Daten und guten Wirtschaftskennzahlen.
Mit den geistlichen Impulsen an den Stationen und einem Abschlussgebet löste sich die Gruppe zufrieden auf.
Das war komödiantischer Hochgenuss! Am Dienstagabend zündeten Erasmus Stein (selbstironischer Moderator mit magischem Händchen), Jens Heinrich Claassen (unfassbar reicher Dauersingle mit Transpirationshintergrund) und Serhat Dogan (türkischer Anti-Macho mit Bayern-Trauma) ein wahres Spaßfeuerwerk im Festzelt. Vom Los der Zuschauer auf den Mitmachplätzen ("Angelika!!!!") über das leider unsexy Klavierspiel und Spieleabende mit Freunden und Haschkeksen bis hin zu empathielosen Ehefrauen, die einem bei unfassbaren Schmerzen das "Südländer-Syndrom" unterstellen: Die drei Herren wussten die Lachtränen ihres Publikums treffliche zu provozieren.
Insider-Gag des Abends wurde übrigens die von Stein und Claassen fälschlich interpretierte Verbindung zwischen Cäcilia Scholten und Klemens Emmerich, die sich ihrerseits vor Vergnügen nicht mehr einkriegten.
Ein toller Abend, der den drei Comedians garantiert so manchen neuen Fan bescherte!
Viel Spaß und Inspiration gibt's bei unseren Stationsläufen für die Schulkinder: Gottes Welt und deren Schutz stehen im Mittelpunkt, wenn die Jungs und Mädchen bei Charlotte die Schöpfungsgeschichte mit Playmobilfiguren, Steinen und Muscheln nachstellen oder ihr bei Gregor lauschen, wenn sie bei Michael Müll trennen, bei Melbin und Georg auf Traumreise gehen oder bei Miriam und Marcel den gefährlichen Amazonas überqueren und dabei Plastikabfall aus dem "Wasser" fischen. Bei Thomas schließlich wird unsere schöne Erde kräftig mit der Stimme und vollem Körpereinsatz dargestellt.
Da entdeckt man das Leben noch einmal mit ganz anderen Augen...
Am Mittwoch führte die Glaubenswochen-"Spritztour" nach Oberhausen, wo die zwölfköpfige Teilnehmergruppe die Ausstellung "Planet Ozean" im Gasometer besuchte - ein tief beeindruckendes und faszinierendes Erlebnis für alle. Anschließend gab's eine gemütliche Einkehr im Café "Mary & Joe".
Um 18 Uhr luden alle Chöre und das Orchester der Kantorei St. Sixtus zu einem großen Schöpfungskonzert in die Pfarrkirche ein. Ein musikalisches Erlebnis der Extraklasse, das die Besucherinnen und Besucher in der vollbesetzten Kirche zu donnerndem Applaus und stehenden Ovationen hinriss.
Am Mittwochabend stand dann eine spannende Diskussionsrunde zum Thema „Nachhaltigkeit – Bewahrung der Schöpfung“ im Festzelt auf dem Programm – aus historisch-philosophischer Sicht auf der einen und aus theologischem Blickwinkel auf der anderen Seite. Zu Gast waren Weihbischof Stefan Zekorn – der mehr als spontan für seinen erkrankten Kollegen Rolf Lohmann eingesprungen war – und der Historiker und Bestseller-Autor Philipp Blom, live aus Wien zugeschaltet.
Pfarrer Michael Ostholthoff freute sich, mit Stefan Zekorn einerseits ein „Kind der Region“ – der Geistliche hat seinerzeit sein Abitur am Recklinghäuser Petrinum gemacht – und andererseits „meinen ersten geistlichen Begleiter am Münsteraner Priesterseminar Borromäum als junger Theologiestudent“ begrüßen zu dürfen. Zekorn genoss es laut eigener Aussage seinerseits, nach langer Zeit mal wieder in Haltern zu sein, das er von früher noch gut kenne.
Rund 1000 Kilometer weiter südöstlich begrüßte Philipp Blom via Bildschirm die zahlreichen Besucher im Festzelt sowie seine Gesprächspartner, die gespannt auf den Vortrag des Autors aus seinem Buch „Die Unterwerfung“ und seine Thesen zur menschlichen Herrschaft über die Natur warteten. Zentraler Diskussionspunkt: Genesis 1,28 – „Macht euch die Erde untertan“.
„Mythologische Atombombe“
„Gleich vorab: Ich bin kein gläubiger Mensch, habe einen rein historischen Blick auf die Dinge“, so Blom. Er setzte im alten Babylonien an, genauer in Ninive im heutigen Irak, wo der Archäologe Austen Henry Layard und seine Mitarbeiter 1853 bei Ausgrabungen den Palast des letzten babylonischen Königs entdeckten – mit einer riesigen Bibliothek auf Tontafeln, die durch einen Brand „gebacken“ wurden und so glücklicherweise für die Nachwelt erhalten geblieben sind. „Hierauf wird der Mythos des assyrischen Halbgotts Gilgamesch beschrieben – gleichsam die älteste Geschichte der zivilisierten Menschheit“, so Blom. „Gilgameschs Schwächen waren Eitelkeit und Geltungswillen; am Ende will er den Tod besiegen und scheitert.“ Und erstmalig komme hier der Gedanke einer „Unterwerfung“ der Natur auf: Gilgamesch tötet einen Waldgeist und rodet Zedernbäume zu egoistischen Zwecken. So sei die Natur, die zuvor für die Menschen durchweg „beseelt“ war, entzaubert worden. Über das babylonische Exil der Judäer sei dieser Unterwerfungsgedanke schließlich in die Bibel gelangt – und zur „mythologischen Atombombe“ geworden.
„Anstatt der animistischen Überzeugung, sich mit den Mächten der Umwelt arrangieren zu müssen, herrschte nun das klassisch-patriarchalisch geprägte Bild einer Welt vor, die totes Territorium, Staub, ist und die es zu bearbeiten, ja, die es wie eine Sklavin zu behandelt galt. Eine Idee, die sehr wirkmächtig geworden ist, etwa in der Kolonialzeit.“ Unter Augustinus habe sich das Machtverhältnis noch einmal geändert, Sexualität wurde als problematische Kraft wahrgenommen, die es zu überwinden galt, um die Seele zu befreien. Die Frau sei als minderwertig angesehen worden; man habe debattiert, ob sie überhaupt eine Seele hätte. „Im Mittelalter wurden die Frauen dann als der Erde näher angesehen, darum galt es, auch sie zu unterwerfen. Erst recht Frauen mit anderer Hautfarbe.“ Und die Beherrschung durch weiße Männer präge unsere Gesellschaft bis heute – „siehe PayGap oder die Diskussion um Frauen im Priesteramt“, ergänzte Blom.
Die Aufklärung habe zwar viel verändert, der Mensch sei jedoch in seinem Verhältnis zur Natur nicht infrage gestellt worden. „Aufklärung war auch ein Transportsystem für theologische Ideen, die letztlich nur umetikettiert wurden in Richtung Vernunft oder Wissenschaft.“
„Wir sind eine faszinierende Primatenart, ein ziemlich unwichtiger Teil der Natur“
Der Mensch, schlussfolgerte der Historiker, sitze der Illusion der Freiheit auf. „Aber es ist nur eine simulierte Freiheit, sonst gäbe es wohl kaum eine solch gigantische Werbeindustrie. Letztendlich werden wir immer von unserer Gruppe beeinflusst.“ Der Mensch sei vielmehr „eine faszinierende Primatenart, ein ziemlich unwichtiger Teil der Natur, wie uns die Klimakrise zeigt - unwichtiger als Ameisen oder Plankton. Wir sehen unsere Stellung mit bronzezeitlichem Blick.“
Die Klimakatastrophe mache sich nun brutal bemerkbar; die Idee, die Natur „cleverer“ weiter zu unterwerfen, sei absurd. „Die letzten zwei, drei Jahrzehnte haben gezeigt, wie sehr wir in die Natur eingebunden sind – mehr, als uns lieb ist“, so Blom. „Das Bild des Menschen selbst muss sich verändern. Dabei sollten wir auch nicht vergessen, dass wir mehr nicht-menschliche lebende Zellen als menschliche im Körper haben – Viren, Bakterien und andere Mikroorganismen. Wir sind das Resultat einer Symbiose an Organismen, die in uns leben.“ Der Mensch sei mithin nicht Beherrscher der Natur, sondern ein Organismus, der lernen müsse, welchen Platz er auf dem Planeten einzunehmen habe. Der 54-Jährige untermauerte den Appell mit einem Forschungsergebnis der NASA: „Man hat festgestellt, dass andere Planeten eine absolut stabile Atmosphäre haben – einzige Ausnahme ist die Erde. Hier ist die Atmosphäre dynamisch durch Abermilliarden Akteure, von Mikroben bis zum Menschen, durch Wettersysteme und Tektonik. Es ist ein Gesamtorganismus, der sich selbst in Balance bringt – notfalls durch Eliminierungen.“
„Göttlicher Plan“ gefährlich?
Aber wie können wir zu dieser Balance beitragen? Durch bessere Technologien – nur, damit wir so weitermachen können? „Nein“, so Blom. „Schon Einstein sagte: 'Man kann Probleme nicht mit Ideen lösen, die zu dem Problem geführt haben'. Wir müssen uns mit den Entitäten einigen, denen wir zuvor geschadet haben; uns mit den anderen Akteuren in der Natur arrangieren und nicht so tun, als gäbe es sie nicht.“
Die theologische Ansicht vom „göttlichen Plan“, schloss Philipp Blom, halte er für gefährlich.
Diese Überzeugung konterte Michael Ostholthoff, der die Diskussion an diesem Abend moderierte, prompt: „Der ‚göttliche Plan‘ impliziert für uns durchaus auch den Schutz der Natur.“
Stefan Zekorn gab Historiker Blom insofern recht, als dass er ebenfalls feststellte, der Mensch müsse seinen Platz in der Natur begreifen – dies sei wesentlich für die Bewahrung der Schöpfung.
„Die Schöpfung ist im Alten Testament nicht nur die Umwelt, sondern die Schöpfung Gottes, also Gottes Besitz. Diesen vertraut er den Menschen an“, so der Weihbischof. Es bestehe wissenschaftlicher Konsens darüber, dass in der Bibel von „Unterwerfung“ die Rede sei. „Aber der Kontext ist wichtig. Und in diesem Kontext kommt zweimal das Wort für ‚regieren‘, ‚walten‘ vor. Das Bild des Königs im Alten Testament ist nicht despotisch; es beschreibt jemanden, der sich vor Gott und den Menschen verantworten muss.“ Der Gedanke vom Menschen als Gärtner, der von Gott „angestellt“ ist, ziehe sich durchs gesamte Alte Testament. Anders in der Renaissance – hier werde der Mensch als autonom von Gott und der Welt angesehen. „Francis Bacon sagte: ‚Der Mensch soll sich die Welt gefügig machen‘. Das steht so definitiv nicht in der Bibel!“
Die Beziehung zu Gott, dem Nächsten und zur Natur sei laut Bibel essentiell. „Und diese Beziehung ist zerbrochen, weil Menschen sich den Platz Gottes anmaßen. Da müssen wir ansetzen!“
Kirche hätte durchaus schon früher agieren können
Und das hätte man seitens der Kirche durchaus schon früher tun können, gab Stefan Zekorn zu. „Die wissenschaftliche Meinung war über 100 Jahre, dass die Umwelt mit Schadstoffen klarkommt. Das hat sich erst in der 70ern geändert. Und ja, auch wir als Christen hätten da eher reagieren müssen. Papst Johannes Paul II hat erst in den 90ern ein entsprechendes Schreiben verfasst, die Enzyklika ‚Laudato Si‘ von Franzskus kam 2015. Und im Bistum Münster gibt es erst seit fünf, sechs Jahren eine Umweltbeauftragte. Das ist schon spät.“
Der christliche Glaube könne durchaus bei dem dringend nötigen Sinneswandel helfen. „Wenn ich mich als Geschöpf unter Mitgeschöpfen sehe, liegt eine andere Sichtweise, ein anderes Agieren nahe.“ Gesetze, Angstmacherei und Moralhämmer seien hingegen kontraproduktiv. „Das sorgt dafür, dass ein Großteil der Gesellschaft nicht mitgeht. Dann igeln wir uns ein. Und das erleben wir gerade. Es braucht eine Änderung der inneren Beweggründe. Franziskus sagte: ‚Es ist nicht möglich, sich nur durch Lehren für eine große Sache zu engagieren‘.“
Ob möglicherweise ein pantheistischer Ansatz hilfreich sei, das Potenzial, in alles Dingen den Schöpfer zu erkennen, wollte Michael Ostholthoff abschließend wissen. Hier fand Zekorn einen durchaus diplomatischen Schlusssatz: „Die Bedeutung der Natur kann man auch ohne Glauben erfassen.“
Moderator und Publikum bedankten sich bei Philipp Blom und Stefan Zekorn mit großem Applaus für den inspirierender Abend, der bei vielen Besuchern im Festzelt noch lange nachhallen sollte.
Die dritte Spritztour der Glaubenswoche - initiiert von Susanne Baldauf-Grothus, Jürgen Grothus und Klemens Emmerich - führte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer per Fahrrad zur Biologischen Station des Kreises Recklinghausen nahe Lembeck. Hier wurde die Gruppe von Georg Tenger, Leiter der Station, erwartet und über das Gelände mit dem alten Bauernhof und dem Lehrgarten mit unterschiedlichen Naturprojekten geführt. Nach dem Mittagsimbiss gab's als Nachtisch ein Eis aus dem Hohemark-Automaten.
Ein toller Tag, von dem alle Beteiligten eine Menge mitnahmen.
Am Donnerstagabend stand dann einfach mal der Genuss - lukullischer wie musikalischer Art - im Vordergrund. Und der Spaß natürlich! Die "Rudolfs" rockten das Zelt mit tanzbaren Ohrwürmern und brachten die Menge ordentlich in Bewegung.
Am Freitagabend waren dann alle zum Arbeitswochenausklang zu Bier, Burger, Bratwurst & Beats ins und ans Festzelt eingeladen. Das Rossini-Team wusste die Besucherinnen und Besucher lukullisch einmal mehr zu begeistern, während die DJs Stock und Oswood im Festzelt eine sehr tanzbare Mischung servierten.
Am Samstagmorgen wechselte so manches Spielzeug, Buch und Kleidungsstück seinen Besitzer: Beim großen Kinderflohmarkt im Festzelt herrschte "geschäftstüchtige" Stimmung - und gute Laune! Viele Familien nutzten die Gelegenheit zum Stöbern und machten das eine oder andere Schnäppchen, das gute Wetter lockte viele Stadtbummler spontan ins Zelt.
Zur Stärkung gab's frischgebackene Waffeln, die gegen eine freiwillige spende zugunsten des Orgelumzugs serviert wurden.
Ab Mittag startete dann das 24. interkulturelle Fest in Haltern am See statt, diesmal wieder im Rahmen ökumenischen Glaubenswoche.
Traditionell wird das Fest mit Gebeten mehrerer Glaubensgemeinschaften eröffnet - in diesem Jahr erstmals mit sechs verschiedenen Beiträgen: Neben der evangelischen und der neuapostolischen Kirche sowie unserer Pfarrei beteiligten sich auch Vertreter der syrischen und der ukrainischen Gemeinde und ein Imam am interreligiösen Gebet.
An die Begrüßung durch Bürgermeister Andreas Stegemann schlossen sich tolle bunte Shows mehrerer Kindergärten an; einige Kinder führten außerdem Szenen aus dem diesjährigen evangelischen Kindermusical "Petrus - Vertrauenssache" auf. Für das leibliche Wohl war natürlich mit einer riesigen Auswahl internationaler Köstlichkeiten ebenfalls wieder bestens gesorgt. Dazu gab's jede Menge Aktionsstände, an denen zum Beispiel Murmelbilder und Ketten gebastelt oder Insektenhotels gebaut werden konnten. Die beiden Diakoninnen der Neuapostolischen Gemeinde, Ann-Kristin Mettenmeyer und Kerstin Ohem, luden die Besucher außerdem ein, mit Wolle und Nägeln auf einer Holzplatte ein ökumenisches Kreuz zu gestalten. Das farbenfrohe und kreative Ergebnis soll bei künftigen ökumenischen Veranstaltungen Verwendung finden.
Wir können festhalten: Auch das diesjährige interkulturelle Fest war ein voller Erfolg und mit gut 400 Teilnehmern sehr gut besucht. Wir freuen uns auf die Jubiläumsausgabe im nächsten Jahr!
Ein weiterer Höhepunkt wartete am späten Samstagnachmittag auf die Kita-Kinder: Gegen 17.30 Uhr startete eine große, fröhliche Gruppe mit bunten Laternen ihren Kümmelkes-Gang zum Altenwohnheim St. Sixtus. Die Bewohnerinnen und Bewohner freuten sich riesig über den Besuch und das gemeinsame Singen mit den Kindern.
Der Samstagabend startete mit einer "Zelt-Edition" des ökumenischen Gottesdienstformats "together: Sing&Talk" statt. In Anlehnung an das Glaubenswochen-Motto lautete die Überschrift für diesen Abend "Nachhaltig glauben - fair leben".
Wie gewohnt trugen eine stimmungsvolle Beleuchtung und gemütliche "Sitzgruppen" zum Wohlfühl-Ambiente bei. Schmissige Musikbeiträge luden zum Mitsingen ein; ein Impuls-Gespräch zwischen David Schütz und Daniel Letzig zum Lied "God of the poor" von Graham Kendrick regten zum Nachdenken an. In den Pausen lud das together-Team zu einem Imbiss und Gesprächen ein.
Mit einem gemeinsam gesungenen und gebeteten Vaterunser endete der rund zweistündige Gottesdienst - und mit einer Einladung: Der nächste "together: Sing & Talk"-Abend Format ist ein Nikolaus-Special und findet am 6. Dezember im Pfarrheim St. Marien statt. Am 15./16. und am 22./23. November lädt das Team außerdem zu einem "together"-Glaubenskurs ein.
Und dann gab es am Samstagabend zu fortgeschrittener Stunde noch ein Wiedersehen der ganz besonderen Art: Matthias "Udo Jürgens" Schütz & Friends rissen mit einem tollen Potpourri aus den besten Songs des Entertainers am Klavier ihr Publikum von den Stühlen. "Mit 66 Jahren", "Ein ehrenwertes Haus", "Griechischer Wein", "Vielen Dank für die Blumen", "Aber bitte mit Sahne" und eine "Ich war noch niemals in New York"-Special Edition: Unser lieber Küsterkollege lieferte gemeinsam mit dem Sängerpaar Franziska und Ricardo Magistro sowie Jochen Kaiser am Cajon eine tolle Show ab, bei der natürlich auch das Tässchen Tee und der legendäre weiße Bademantel nicht fehlten. Erst nach mehreren Zugaben entließ das Publikum das Quartett zum wohlverdienten "Backstage-Bierchen".
Bei strahlendem Sonnenschein, mit einem erfreulicherweise genesenen Weihbischof Rolf Lohmann und festlich begleitet vom Posaunenchor der evangelischen Gemeinde fand am Sonntag die 288. Große Kreuztracht statt - gleichsam feierlicher Abschluss der Glaubenswoche 2024. Eine große Prozession zog von der Pfarrkirche über den Prozessions- und den Breitenweg wieder zurück zum Festzelt, wo das "Rossini"-Team zwei köstliche Suppen und die beliebte Currywurst servierte.
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Und jetzt bleibt uns nur noch, sehr zufrieden auf die ökumenische Glaubenswoche 2024 zurückzuschauen, die vielen tollen Programmpunkte Revue passieren zu lassen, die kleinen Anekdötchen auszutauschen - und uns auf die nächste Auflage 2026 zu freuen!
>> Fotoausstellung von HG Werner in der Pfarrkirche (HZ vom 5.9.2024)
>> Eröffnung der Glaubenswoche (HZ vom 9.9.2024)
>> "Wie fair ist unsere Landwirtschaft?" - Politisches Streitgespräch (HZ vom 11.9.2024)
>> "Nachhaltigkeit - Bewahrung der Schöpfung": Podiumsdiskussion (HZ vom 13.9.2024)
>> Interkulturelles Fest (HZ vom 13.9.2024)