»Denn ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben.« Jeremia 29,11

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Pfarrei St. Sixtus

Der große Gast

Kirchenasyl und Advent - unsere Predigt vom ersten Adventssonntag zum Nachlesen.

Es war wieder einmal soweit. Der Advent hatte Einzug gehalten, und der Pfarrer von St. Petrus drohte im alljährlichen vorweihnachtlichen Stress zu versinken. Schließlich sollte bis Heilig Abend doch alles erledigt sein. So wurde es auch an jenem Abend spät mit dem Zubettgehen. Doch als er endlich in den Schlaf fand, hatte er einen Traum. Kein anderer als Jesus selbst erschien ihm und hatte eine besondere Botschaft. "In diesem Jahr möchte ich nicht irgendwo Weihnachten feiern, sondern ich möchte Dich besuchen! Ich will bei Dir zu Gast sein." Freudestrahlend erwachte der Pfarrer. Was für eine Ehre würde ihm zuteilwerden. Jesus Christus selbst wollte bei ihm zu Gast sein.

Und so machte er sich gleich ans Werk. Schließlich sollte das Gästezimmer im schönsten Glanz erstrahlen, wenn der Herr selbst dort nächtigen wollte. Bei seiner ganzen Emsigkeit und Leidenschaft hätte er fast die Klingel seiner Wohnung überhört. Ein junger Mann stand vor seiner Tür. "Hallo, ich bin Mustafa". "Ja, Herr Mustafa, was kann ich für Sie tun? Ich muss Ihnen allerdings sagen, ich habe nur sehr wenig Zeit. Mein Chef hat sich zu einem spontanen Besuch angekündigt und ich muss gerade alles herrichten." "Ich möchte auch gar nicht lange stören", antwortete der junge Mann mit deutlichem arabischem Akzent. "Ich bin seit fast einem Jahr auf der Flucht mit meinem jüngeren Bruder. Weil er 16 ist, hat das Jugendamt für ihn die Versorgung übernommen. Aber ich bin 18 und soll nach Slowenien abgeschoben werden." - "Es tut mir wirklich leid", sagte der Pfarrer. "Aber ich weiß nicht, wann mein Vorgesetzter hier eintrifft, und ich muss den Platz für ihn freihalten. Ich kann Ihnen nicht helfen, versuchen Sie es woanders."

Und schon machte sich der Pfarrer wieder ans Werk. Nur einige Minuten später wurde er allerdings wieder unterbrochen. "Das darf doch nicht wahr sein, da hat es schon wieder geklingelt!" Er ging wieder zur Tür. Davor stand eine Frau, die augenscheinlich obdachlos war. Ihren halben Hausstand führte sie mit sich und sah reichlich müde und erschöpft aus. "Herr Pfarrer, wie gut, dass Sie zu Hause sind! Ich benötige eine Unterkunft. Die Nächte werden immer kälter, und es wird schon so früh dunkel. Hätten Sie nicht vielleicht ein Bett für mich?"
Der Pfarrer hatte schon ein etwas schlechtes Gewissen, als er auch sie darauf hinwies, er habe keinen Platz und könne ihr nur mit ein paar Euro eine Unterstützung anbieten.

Nun wollte er endlich wieder ans Werk gehen - doch nach nur einigen Minuten klingelte es erneut. "Ja, was wollen Sie?" Die junge Frau an der Türe schien der deutschen Sprache nicht mächtig. Was der Pfarrer irgendwann verstand: Auch sie war auf der Flucht vor dem Krieg in Syrien. Auf ihrem Weg nach Deutschland hatte sie unbeschreibliches Leid erfahren, war in Rumänien sogar in die Zwangsprostitution geraten, hatte es dann aber bis nach Deutschland geschafft, wo die Behörden sie nun wieder nach geltendem EU-Recht nach Rumänien zurückschicken wollten. Der Pfarrer überlegte, aber ihm fiel einfach keine Lösung ein. "Ich habe keinen Platz, versuchen Sie es doch bei der evangelischen Gemeinde oder in der Nachbarpfarrei. Ich kann hier nichts für Sie tun."
Danach wurde er endlich nicht mehr gestört.

An Heilig Abend war schließlich alles perfekt vorbereitet für den großen Gast. Doch was den Pfarrer irritierte: Bis zum Gottesdienst traf Jesus nicht ein. "Er wird wohl am Abend selbst kommen", dachte der Pfarrer sich. Doch obwohl er bis tief in die Nacht wach blieb - da kam kein Jesus. Total frustriert ging er schließlich zu Bett und schlief ein. Und in seinen Träumen, da war er dann, Jesus. "Herr", so bestürmte er ihn sofort, "wo warst Du denn? Alles habe ich für Dich vorbereitet. Du wolltest bei mir zu Gast sein, und Du hast mich einfach vergessen."
"Nein", erwiderte Jesus. "Du hast Unrecht. Dreimal habe ich bei Dir geklingelt und habe um Aufnahme gebeten. Doch Du hattest keinen Platz für mich und hast mich abgewiesen. Nicht ich habe Dir das Weihnachtsfest verdorben, sondern Du hast nicht verstanden, wie ich heute zu Dir, wie ich heute zur Welt kommen möchte."